Kirchenbesuch mal neun!

Zum Abschluss unserer Serie über Kirchenräume kommt Max Gisler, Präsident des Grossen Kirchgemeinderats (GKGR), zu Wort. Er empfiehlt: Statten Sie doch einfach mal allen neun reformierten Kirchen im Kanton Zug einen Besuch ab – es lohnt sich!

Neun Kirchenbesuche sollten Sie machen, liebe Leserinnen und Leser! So erhalten Sie einen Eindruck von allen reformierten Kirchen im Kanton Zug, von aussen wie auch von innen. Ob sich das auch lohnt? Und ob! Jede Kirche hat ihre eigene Prägung, ob in der Architektur, der Stimmung oder der Einrichtung. Im Folgenden schildere ich Ihnen meine persönlichen Eindrücke.
  


Walchwil
Walchwil, diese Berggemeinde mit Anker am See, hat ihr Zentrum mit dem Bahnhof etwa auf halber Höhe. Und die Kirche steht so nah beim Bahnhof, dass sie sozusagen direkt an die Bahnverbindung angeschlossen ist, welche die Metropolen Zürich und Basel mit der Weltstadt Mailand verbindet. Dennoch liegt sie fast schon versteckt auf einem Geländevorsprung. Diese Lage macht die Kirche zur Primadonna – und genau so kommt sie auch im Inneren daher: luftig und leicht. Man fühlt sich frei und gleichzeitig nah. Doch wo sind die Rigi und das Seegestade bei Immensee? Man müsste doch hier eigentlich die Aussicht geniessen können. Man erahnt sie bloss, weil die Fassade zwar Licht durchlässt, aber nicht den Blick. Deshalb konzentrieren wir uns auf den Gottesdienst.

 


Ägeri
Ägeri ist Unter- und Oberägeri. Es gibt auch Mittenägeri. Genau dort, zwischen zwei Gemeinden, steht die reformierte Kirche. Es erscheint fast nebensächlich, ob sie nun zum unteren oder oberen Ägeri gehört. Hauptsache, die Glocken behaupten sich. Sie hängen zwar nicht hoch, doch man hört sie und folgt ihnen. Der Eingang führt erst einmal am Kirchensaal vorbei und dann treppauf – für Sportliche ein Leichtes. Wer sich auskennt, betritt die Kirche jedoch ebenerdig oben von der Alten Landstrasse aus. Die Kirche vermag zu überraschen. So schlicht und funktional die restlichen Räumlichkeiten sind, so sakral ist die Ausstrahlung des Kirchenraums selbst. Woran das liegt? Vielleicht am ausgewogenen Grundriss, einem Rechteck. Oder vielleicht auch einfach an der Erwartung der bevorstehenden Predigt.

 

 
Menzingen

Menzingen gilt als Klosterdorf. Doch auch die Reformierten pflegen hier ihren Glauben. Sie haben auch eine eigene Kirche, nennen sie aber im Diminutiv nur «Chileli». Dabei ist der Klang der einzigen Glocke im schüchternen Turm an der Holzhäusernstrasse durchaus eindringlich. Er vermöchte sich wohl gegen das vielstimmige Geläut der Pfarrkirche zu wehren, sollte es zu einem konfessionellen Wettstreit kommen – was wir natürlich vermeiden wollen. Der Eingangsbereich hat kürzlich erst einen neuen Witterungsschutz mit Kennzeichnung bekommen. Jetzt kann man das Chileli, so klein es auch ist, nicht mehr übersehen. Innen haben gut 20 Personen Platz. Da ist jede Stimme beim Kirchenlied gefordert, das von der elektronischen Orgel volltönend begleitet wird. Wer trotzdem nicht singen mag, kann derweil die Menzinger Hügellandschaft auf einem Glasbild an der Stirnwand betrachten.
   
 

 
Baar
Jetzt sind wir im Talgebiet des Kantons Zug. Dort, auf der Schwemmebene der Lorze, entstanden die ersten Industriebauten des Kantons, damals noch mit echten Arbeitern im «Übergwändli». Auch für sie hatte man die reformierte Kirche im vorletzten Jahrhundert errichtet. Eigentlich müsste sie für das heutige Baar grösser sein, doch für den aktuellen Bedarf passt sie offenbar. Von aussen wirkt die Kirche noch wie damals, sie lehnt sich zurückhaltend an vergangene Baustile an. Der hohe Kirchenraum mit seiner schönen Holzdecke ist imposant. Viel Raum für die Pfarrpersonen, um zum Beispiel während der Predigt den Auszug aus Ägypten darzustellen! Und sich bei den Getreuen auf dem grossen Vorplatz – Wasser zu Wein – angemessen zu bedanken.
  
 

  
Zug
Wir machen einen Abstecher nach Süden, jedoch nicht bis ganz zum See. Heute duckt sich die reformierte Kirche hinter Coop City. Einst blickte sie auf die Villa Weber mit ihrer Parkanlage. Wie schön sähe das heute aus! Immerhin macht die Kirche auch jetzt noch mit einem starken Geläut auf sich aufmerksam. Nur wenige Stufen, und man steht auf dem Fundament, auf dem sie errichtet wurde. Wer die Kirche zum ersten Mal besucht, ist überrascht: Hat man den Kirchenraum zugunsten rückwärtiger Räumlichkeiten verkleinert, oder hat man einen neuen Goldenen Schnitt gefunden? Gebannt betrachten wir auch die moderne Kunst an den Wänden, bis die Orgel und das Kirchenlied uns wieder zum Wesentlichen zurückführen.
   
 


Steinhausen
Steinhausen ist der Ökumene verschrieben. Konsequenterweise sind die katholische und die reformierte Kirche unter einem Dach zu finden – von der katholischen St.-Matthias-Kirche mit ihrem gezwiebelten Turm abgesehen. Im Zentrum Chilematt herrscht deshalb auch ausserhalb der Gottesdienste Gemeindeleben. Der Raum für die reformierte Kirche zeigt selbst in den Details der Ausstattung deutlich die Handschrift des Zürcher Architekten Ernst Gisel. Der Autodidakt ist verantwortlich für den sehr hellen und gleichzeitig erhabenen Kirchensaal. Die Orgel passt sich ebenso gut ein wie die Panneaux hinter dem Abendmahlstisch. Und dann der Klang der Orgel...!

 

 
Cham
Auch Cham hat eine industrielle Vergangenheit. Die Industrie- und Zinsherren ermöglichten dort den Bau einer reformierten Kirche. Sie steht unmittelbar oberhalb der Lorze und schaut auf die Papierfabrik hinab. Man begreift, wer höher emporragt: Nur ein Fabrikkamin ist höher als der Kirchturm, doch der ist längst ausser Betrieb. Die Kirche hingegen lebt munter weiter, mit einem angenehmen Innenleben, wo Geschmack mit ein bisschen Jugendstil vorherrscht. Ebenso stilvoll hat es der Pfarrer in seinem schönen, alten Pfarrhaus in der Nähe der Kirche.
  
 


Hünenberg
Hünenberg setzt auf Entwicklung auf allen Ebenen. Da bietet die reformierte Kirche einen willkommenen Rückzugsort, wo man sich besinnen kann. Ihre vollkommen runde Form setzt einen Punkt hinter das angrenzende Sportgelände. Einen Kirchturm sucht man vergeblich. Von aussen mag das Gebäude etwas verschlossen wirken; innen jedoch treffen wir schnell auf Geborgenheit. Die runde Wand aus Kalkstein ist sparsam dekoriert. Umso besser kommt die Lichtführung zur Geltung. Im Gottesdienst ist man einander körperlich nah, und das Foyer verspricht einen f einen anschliessenden Apéro – eine Aussicht, die keine Landschaft benötigt.

 


Rotkreuz
Die Gemeinde hat es wahrlich nicht leicht. Die Kirche steht auf einem veritablen Feldherrenhügel, und dass sie in jüngster Zeit nicht abstürzte, grenzt schon an ein Kirchenwunder. Am Fuss des Hügels befindet sich eine Baustelle mit einem schier unendlich tiefen Aushub. Da war Gottvertrauen in die Ingenieure gefragt! Das Herz geht auf, wenn das von Weitem sichtbare Geläut ertönt. Der Weg führt uns auf den Hügel und noch einige Stufen hinauf zum Kirchenraum – wo es gleich wieder bergab geht, zu einem Platz in einer der langen Bankreihen. Das war die Moderne der 1960er-Jahre. Nicht schlecht und vielleicht bald wieder gefragt, denn die Kirche wirkt heute noch grosszügig und klar. Und gibt den Blick frei auf eine grosse Fläche, auf der man nach dem Gottesdienst noch tanzen könnte.

 

Nun, wie haben Sie sich entschieden? Für eine Kirchentour? Eine Stippvisite hier und dort? Oder bleiben Sie doch Ihrem Bezirk treu? Wie auch immer: Es möge Ihnen Spass bereiten!

Max Gisler, Präsident des GKGR (Kirche Z 12/2020)
 

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