Mein Kirchenraum: Hünenberg

 
Jede Pfarrperson assoziiert etwas anderes mit dem Begriff Kirchenraum. Für den einen ist es einfach die Kirche, für die andere gleich der ganze Bezirk. In einer Serie erzählen die Zuger Pfarrpersonen, wie ihr persönlicher Kirchenraum aussieht. Aline Kellenberger ist in Hünenberg heimisch geworden.


Ja, es war eine ziemliche Umstellung von der Stadtkirche Glarus zum Reformierten Kirchenzentrum Hünenberg – von einer der grössten Kirchenbauten der Schweiz zu einem eher kleinen, multifunktionalen, modernen Kirchenraum. Ich würde lügen, wenn ich sagte, die Umstellung sei mir leicht gefallen. Aber es war gerade das ganz andere, das mich von Anfang an fasziniert und herausgefordert hat. Inzwischen ist mir «mein» Kirchenraum lieb und teuer geworden. Vielleicht, weil man den Menschen im wahrsten Sinn des Worts nahe kommt und man den Raum zudem so unterschiedlich gestalten kann. Dass ein Kirchenraum Kino, Tanzsaal, Konzertsaal, Ausstellungsraum und «Jazz-Lokal» sein kann, finde ich grossartig.

Ein Zentrum für alles
Eigentlich ist es falsch, nur vom Kirchenraum zu reden. Denn der Kirchenraum ist Teil des Reformierten Kirchenzentrums Hünenberg, eines Rundbaus, der erst 1997 eingeweiht wurde. Das Reformierte Kirchenzentrum ist weit mehr als ein Gottesdienstraum. Es ist Austragungsort für die verschiedensten Veranstaltungen der unterschiedlichsten Alters- und Interessengruppen, angefangen bei der musikalischen Früherziehung über den Religionsunterricht bis zu Kochkursen für Senioren. Ferner beherbergt es die Büros der sozialdiakonischen Mitarbeitenden und des Sigristen, und es verfügt über eine professionell ausgestattete Küche, die sehr rege benutzt wird. Genau diese Vielfalt ist es, die ich liebe und die meiner Vorstellung von einer lebendigen Gemeinde Christi entspricht.

Es braucht den zweiten Blick
Von aussen ist das Kirchenzentrum nicht unbedingt als solches zu erkennen. Und so kommt es immer mal wieder vor, dass es mit der Turnhalle, die sich gleich dahinter befindet, verwechselt wird! Tatsächlich fehlen ein Kirchturm, der das Gebäude überragen würde, und grosse Kirchenfenster. Der schlichte Rundbau aus Backsteinen widerspiegelt vielmehr reformierte Nüchternheit und Bescheidenheit. Und trotzdem sind es gerade die unverputzten Backsteine aussen wie innen, die mich immer mal wieder daran erinnern, dass wir die Steine sind, die das Haus Gottes ausmachen – so wie es im 1. Petrusbrief (2,5) heisst: «Lasst euch als lebendige Steine zu einem geistigen Haus aufbauen.» Übrigens ist das einzige Kreuz im Gottesdienstraum ein Kreuz aus ebendiesen Backsteinen, das in der Wand aufgeht. Für mich ein Osterbild: Das Kreuz tritt in den Hintergrund. Es verschwindet und macht der Auferstehung, dem Leben, Platz.

Sparsame Symbolik
Der einzige Schmuck im Kirchenraum sind die vier in die Wand eingelassenen Kacheln mit den Namen der Evangelisten und die roten und blauen Fensterchen oberhalb des Kreuzes, die sich als Hinweis auf die beiden reformierten Sakra mente deuten lassen: Blau symbolisiert die Taufe, Rot das Abendmahl. Zu guter Letzt ist da noch der im Boden eingelassene Stern, der mit der sternförmigen Lichtöffnung über dem Abendmahlstisch korrespondiert. Man mag dabei an den Stern von Bethlehem denken oder an die Sonne, die auch ein Symbol für Christus ist.

Offen für die Welt
Faszinierend finde ich, dass es im Kirchenzentrum zwei Brücken gibt. Die eine verbindet die Sigristenwohnung mit der Strasse – also innen mit aussen. Die andere verbindet den pädagogischen Bereich mit dem sakralen. Es mag vielleicht etwas weit hergeholt sein, aber es will mir scheinen, als ob man das gut reformiert wie folgt deuten könnte: Der Unterricht will letztlich zum Priestertum aller befähigen. Neben den zwei Brücken gibt es im Rundbau eine Öffnung. Diese weist zum Dorf und damit zur Welt hin, als wollte sie sagen: Christsein hat sich in der Welt zu bewähren. Zudem schaut die Öffnung in Richtung der katholischen Schwesterkirche Heilig-Geist. Für mich ein klares Zeichen und eine Einladung in Richtung Ökumene.

Text: Aline Kellenberger, Pfarrerin Hünenberg (Kirche Z 3/2020)

 

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