Mein Kirchenraum: Cham


Jede Pfarrperson assoziiert etwas anderes mit dem Begriff Kirchenraum. Für den einen ist es einfach die Kirche, für die andere gleich der ganze Bezirk. In unserer neuen Serie erzählen die Zuger Pfarrpersonen, wie ihr persönlicher Kirchenraum aussieht. Diesmal tut dies der Chamer Pfarrer Michael Sohn.

«Mein Kirchenraum», darüber darf ich als Pfarrer in Cham etwas schreiben. Was empfinde ich in unserer Kirche, was verbinde ich mit diesem Raum? So gehe ich am besten direkt an den Ort des Geschehens – es sind nur ein paar Schritte vom Pfarrhaus in die Kirche. Unter meinem Arm klemmt der Laptop, und ich überquere die laute Strasse.

Also öffne ich zuerst einmal die alte, grosse Holztür und trete ein. Der Lärm der Strasse ist weniger zu hören, als die Kirchentür ins Schloss fällt. Das finde ich schon mal eine sehr schöne und erholsame Erfahrung. Innen ist es kühler als draussen, und doch empfinde ich unsere Chamer Kirche als einen warmen Ort. Es ist sicherlich die Kombination aus Holz und dem mit roten Fliessen bedeckten Boden, die eine angenehme Wärme erzeugt. Überhaupt schafft das viele Holz in der Kirche eine einladende Atmosphäre.

Seit acht Jahren bin ich nun Pfarrer in Cham, und vom ersten Moment an habe ich die Chamer Kirche in mein Herz geschlossen. Warum eigentlich?

Vielleicht ist ein Grund ihre Grösse, denn es ist ein kleines Kirchlein und ich fühle mich in ihr nie verloren, sondern immer gut aufgehoben. In unserer Kirche habe ich schnell mal das Gefühl von wohltuender Gemeinschaft, und das Sonntag für Sonntag. Auch wenn ich gerade allein in der Kirche sitze, ich bin willkommen – auch wenn richtig viele Gottesdienstbesucher kommen, es gibt immer ein gutes Gefühl von Miteinander.

Ja, so danke ich meinem Kirchlein, dass es kein Dom geworden ist und mit seiner Grösse eine wohltuende Bescheidenheit ausdrückt.

Und dann ist da noch etwas anderes – es ist eine «richtige» Kirche! Was heisst das schon wieder?

Ich liebe meine Chamer Kirche, weil sie sich zu nichts anderem als zu Gottesdiensten nutzen lässt. Sie ist so herrlich «Single-tasking» (das Gegenteil von «Multi-tasking»)!

Okay, ein Konzert geht natürlich auch, aber die fest installierten Kirchenbänke und die klare Ausrichtung und die schönen Kirchenfenster – all dies macht die Kirche für mich zur richtigen Kirche, und ich geniesse es, dass dieser Raum so «nutzlos» ist – ausser für Gottesdienste. Ja, die Chamer Kirche hat eine Klarheit und eine Botschaft. Sie sagt mir: «Komm herein, setz dich, komm zur Ruhe und schau nach vorn. Dort siehst du die Kirchenfenster, in der Mitte das Bild des Gekreuzigten, links das Fenster mit dem Stall von Bethlehem und rechts siehst du, wie Jesus die Kinder annimmt.»

Zu diesen Kirchenfenstern in dem Chorraum über dem Chorgestühl, dorthin soll ich schauen. Hier finde ich Orientierung – stimmt, ich schaue nach Osten (Orient) und werde «orientiert».

Über den Kirchenfenstern befindet sich eine runde Kuppel, eine Halbkugel wie in der Apsis einer richtig alten Kirche. Sie stellt die Himmelskuppel dar – ein grosses Geschehen in einer kleinen Kirche! In diesem Chorraum geschieht eben Grosses, er nimmt mich mit, er zieht meine Gedanken nach vorn und ich lasse den Alltag hinter mir. Welch ein Geschenk! Dazu passen die Osterkerze, die schönen liturgischen Teppichbehänge an Abendmahlstisch und Ambo. Die Kirche ist immer bereit, die Menschen dürfen kommen, wir können feiern…

Ja, ich hänge an dieser Kirche, ob ich in den Kirchenbänken sitze und mein Glaube Orientierung findet, oder ob ich als Pfarrer vorn stehe, die Würde und Wärme des Raums in mich aufnehme und mit der Gemeinde den Gottesdienst feiern darf. Der segnende Christus im Kirchenfenster über der Orgel leuchtet mir dabei entgegen – das macht mir als Pfarrer Mut.

So langsam wird es mir doch ein wenig kühl, ich sitze nun schon lang hier und lasse den Kirchenraum auf mich wirken. Ich will jetzt mal den Platz wechseln, um zu sehen, wie es auf einer anderen Kirchenbank ist. Die Perspektive ist ein wenig anders, die Ausrichtung bleibt gleich, und so auch das Gefühl, das diese Kirche in mir auslöst: Sie bringt mich zu Ruhe, richtet meine Sinne auf Religion und Glauben aus, sie stimmt den Ton des Gottvertrauens in mir an.

Und bevor ich wieder durch die grosse Holztür nach draussen gehe, denke ich noch: Dieses Chamer Kirchlein will gar nichts anderes als eine Kirche sein – Raum für Begegnung mit Gott. Ja, ich glaube, deshalb fühl ich mich in ihr so wohl.

Dankbar breche ich wieder Richtung Pfarrhaus auf und überquere die hektische Strasse…

Michael Sohn, Pfarrer Cham (Kirche Z 7-8/2020)

 

   

   

nach oben